Nervosität, Schreckhaftigkeit und Hypersensibilität bei Pferden

Bei nervösen, schreckhaften Pferden oder solchen, die man schon als „hypersensibel“ oder „hochsensibel“ einstufen könnte, denken wohl die wenigsten an Pferdeosteopathie. Bei Nervosität oder Schreckhaftigkeit kommen meist Magnesium und/oder Tryptophan zunächst zum Einsatz.
Hypersensible Pferde werden häufig abgestempelt: „Der ist eben so“. Nicht selten werden sie zum Wanderpokal, weil sie ihr Umfeld in den Wahnsinn treiben.

Deshalb möchte ich euch heute zwei Fallbeispiele vorstellen, von und mit denen ich in den letzten Jahren sehr viel gelernt habe. Eines vorab: Ich behaupte nicht, DIE neue Lösung für jedes nervöse Pferd gefunden zu haben. Ich möchte euch lediglich zeigen, was ich in der Praxis beobachtet habe und hoffe, dass es dem einen oder anderen einen Weg zeigt, den er mit seinem Pferd zumindest einmal ausprobieren kann.

Genie und Wahnsinn – hochsensibles Dressurpferd

Glubschi
Seit über 2 Jahren behandle ich regelmäßig einen jetzt 7-jährigen Holsteiner Wallach mit sehr guten Dressuranlagen, Glubschi ist im Besitz von Anna Weiler, Pferdewirtschaftsmeisterin mit eigenem Betrieb in Havekost (Ahrensbök) (Reitwerk).
Als ich ihn kennenlernte, war er ein ängstliches, nervöses, zappeliges Pferd. Er trug seinen Schweif extrem nach links und das bereits seit Fohlenzeit. Es lag weder ein knöcherner Befund vor, noch Blockaden der Wirbel oder des Kreuzbeins. Die Reiterin berichtete von Schwierigkeiten beim Anlongieren und Anreiten.
Er war immer auf der Flucht, selbst auf dem Paddock rannte er so lange, bis er wieder herein geholt wurde. Das Reiten gestaltete sich insofern schwierig, als dass er vor jedem kleinsten Fleck oder Unebenheit am Boden erschrak und davon raste.


Anna Weiler:

Glubschi ist unsere Stallprinzessin. Ich habe ihn als Jährling „kennengelernt“, als ich für seinen Züchter arbeitete. Spät geboren, war er 2-jährig für die Holsteiner Körung viel zu klein. Aber als er das erste Mal über das Paddock trabte, haben wir gedacht, aus dem Kleinen wird mal was. Trotz reiner Holsteiner Springabstammung: Das möchte ein Dressurpferd werden. Seinen Spitznamen hat er schon damals bekommen und er macht ihm alle Ehre. Glubschi sieht mehr als andere Pferde, er mag kein Blatt auf dem Boden oder Streifen im Hallenboden.

4-jährig sollte er angeritten werden. Dass das eine lange Geschichte wird, war klar. Glubschi fing schon auf dem Putzplatz an zu buckeln, fand die Bande mehr als gruselig und vergaß vor Anspannung gern zu atmen. Dafür konnte er buckeln wie das beste Rodeopferd.
Normale Pferde kann man langsam, aber sicher an neue Situationen gewöhnen. Glubschi kann sich auch zwei Stunden vor einem Lichtfleck gruseln.

Nach Christines ersten Behandlungen wurde er deutlich ausgeglichener. Zu Anfang hielt das 1-2 Wochen, dann war die Anspannung wieder da. Auf dem Paddock, auch mit seinen Freunden, rannte er teilweise bis er schäumte und am nächsten Tag heftigen Muskelkater hatte. Seit der craniosacralen und viszeralen Behandlung ist das nie wieder aufgetreten. Er bewegt sich nach wie vor gern und viel, aber fröhlich und nicht mehr panisch.

Mittlerweile (Stand Oktober 2019) ist er 7 Jahre alt und 2,5 Jahre unter dem Sattel. Die ersten 1,5-2 Jahre musste er jedes Mal zumindest kurz an die Longe, um seine erste Anspannung „wegzutraben“.

Mit Christines Hilfe und sehr vielseitigem Training sind wir nun soweit, dass er zu Hause völlig ausgeglichen ist. Auf fremden Terrain (ja, wir fahren fast jede Woche mit ihm zum Training) braucht er zum Aufsitzen noch sein Personal, das ihm kurz zur Seite steht. Danach ist die Anspannung aber weg und er gruselt sich nur noch ab und an, wenn der Boden nicht ordentlich gefahren ist.

Natürlich ist er kein anderes Pferd geworden, das soll er auch nicht sein. Glubschi bewegt sich unheimlich gern und erinnert meist an ein hyperaktives und hochintelligentes Kind, das sich einfach enorm schnell ablenken lässt. Aber er hat eine innere Ruhe gefunden und steht sich nicht mehr so im Weg. Mit seinem Quatsch und Unsinn können wir gut leben, er hat einen höheren Unterhaltungswert als jede Netflix-Serie 😊.

Die Zusammenarbeit mit Christine möchten wir nicht mehr missen, Glubschi schon gar nicht. Er freut sich jedes Mal auf seine Wellness-Stunde, wenn Christine auf den Hof kommt.


Langfristige Behandlung bei sehr sensiblen Pferden

Ich behandelte Glubschi anfangs mit struktureller Osteopathie und Akupunktur. Auf die Akupunktur sprach er sehr gut an. Nach der vierten Behandlung erzählte seine Reiterin, sie käme jetzt endlich mal zum Reiten und auf der Koppel sei er auch viel entspannter. In der folgenden Zeit behandelte ich das Pferd in regelmäßigen Abständen mit viszeraler und craniosacraler Osteopathie in Verbindung mit der Akupunktur oder AOE (akupunkturorientierter Energiearbeit).

Inzwischen ist Glubschi für seine Verhältnisse sehr entspannt, er trägt seinen Schweif gerade, steht ruhig auf der Koppel (nach einem Morgengalopp) , hat eine sehr gute Arbeitseinstellung und lernt enorm schnell und gerne.

Yiska – schreckhaft, ängstlich, untauglich als Sportpferd

Diesen Wallach lernte ich im Sept. 2018 kennen, damals 7 Jahre alt, Westfale. Er war auf Grund seiner Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit aus dem Sport ausgemustert worden und kam zu Sita Justus, einer nicht unbekannten Horsemanship Trainerin nach Norddeutschland (Reiterhof Justus).
Er hatte einen Sturz beim Verladen, dadurch Probleme und Empfindlichkeit im Genick. Die Hinterhand knickte oft ein und er mochte sich nicht fallen lassen. Er trug den Kopf ständig sehr hoch und schaute ängstlich umher, immer auf dem Sprung. An Reiten war zu der Zeit gar nicht zu denken.

Sita Justus - Yiska - nervös und schreckhaft

Sita Justus:

Als Yiska zu mir kam, war er total verspannt und ist bei jeder kleinsten Gelegenheit panisch geworden. Vor allem Druck am Halfter/Genick hat ihn verängstigt. Er hatte massiven Sattel-Zwang und keine Idee davon, sich zu entspannen.

In den ersten Monaten war Christine in kurzen Abständen bei uns und nach jeder Behandlung kamen wir der körperlichen Entspannung näher. Yiska lahmte aber immer wieder diffus und verfiel schnell in Angst. Mit meinem Wissen und meiner Erfahrung konnte ich viele Probleme erkennen und im Ansatz lösen, doch Schmerzen und Verspannungen warfen uns immer wieder zurück.

Ohne Christines Hilfe hätte ich das nicht geschafft, denn seine Psyche und körperliche Verfassung bedingen sich immer sofort gegenseitig.
Die Abstände, in denen Christine uns helfen musste, wurden größer und die Fortschritte fester.

Jetzt, nach fast zwei Jahren, kann ich sagen: Wir sind über den Berg und ich beginne jetzt kontinuierlich auch aus dem Sattel mit Yiska zu arbeiten.

Fast schade, dass wir Christine nicht mehr so häufig brauchen, denn ich schätze nicht nur ihre unglaublich tolle Behandlung, sondern auch sie als Mensch sehr.

Es ist irre, was sie bewirken kann und wie sie mit den Pferden in Verbindung geht. Ich bin sehr dankbar sie zu haben und fühle mich sicher mit meinen Pferden, denn wenn was ist: Christine wird uns helfen.


Regelmäßige Behandlung auch für nervöse Pferde

Bereits nach der ersten Behandlung war Yiska viel entspannter und ließ öfter mal den Kopf fallen. Sita berichtete, er sei im Kopf klarer und wacher.
Dieses Pferd behandele ich seitdem in regelmäßigen Abständen und er macht kontinuierlich Fortschritte. Bei der Arbeit an der Hand und unter dem Sattel läuft er locker vorwärts-abwärts und bleibt entspannt.

Osteopathie als Allheilmittel?

Nein, mit Sicherheit nicht. Gerade diese beiden Pferde profitieren enorm davon, in Profi-Händen gelandet zu sein. Neben der regelmässigen Behandlung arbeiten beide Trainerinnen gezielt und mit viel Können mit ihren Pferden. Beide achten sehr darauf, die Haltungsbedingungen so optimal wie möglich auf ihre Pferde abzustimmen. Ein entspanntes Umfeld mit klaren Regeln und Abläufen ist für solche Pferde absolut notwendig. Viel Bewegung, starke Sozialkontakte und pferdekundige Menschen, die ihnen Sicherheit geben, schaffen erst die Voraussetzung dafür, dass sich sensible Pferde fallen lassen mögen und entspannen.

In dieser Kombination und mit viel Geduld auf allen Seiten sind beide Pferde deutlich ausgeglichener geworden. Sie bleiben „lustig“ und immer für eine Überraschung gut, aber wir wollen ihre Persönlichkeit ja auch nicht ändern. Beide haben aber eine gewisse „innere Ruhe“ gefunden, mit der sie nun eine viel höhere Lebensqualität haben.

Nervosität, Schreckhaftigkeit und Stress im Allgemeinen kann drastische Auswirkungen bei Pferden haben. Ob sogenannte Stalluntugenden, Stoffwechselprobleme, Koliken, Magengeschwüre etc. Vieles ist vermeidbar oder lässt sich zumindest abmildern.

Magnesium, Tryptophan und andere Zusätze

Zusatzfutter kann natürlich auch funktionieren und kann in vielen Fällen auch sinnvoll sein. Allerdings wirken diese Zusätze selten langfristig und eignen sich daher eher bei Pferden, die punktuell nervös sind, z.B. auf Turnieren oder nach einem Stallwechsel. Jegliche Futterzusätze oder andere Beruhigungsmittel sollten möglichst mit dem Tierarzt abgesprochen werden.

Für die osteopathische Behandlung von nervösen, schreckhaften oder schlicht sehr sensiblen Pferden gilt natürlich ebenfalls: Körperliche Ursachen durch den Tierarzt kontrollieren und ausschließen lassen.